Dienstag, März 11, 2014

Karls Wochenende

Mein Arbeitskollege — nennenwirihneinmal Karl — war vergangene Woche erkältet. Bis Mittwoch hat er noch gearbeitet, am Donnerstag hat er sich krank gemeldet. Tagsüber hat er sich mit Aspirin-Komplex gedopt und nachts mit Wick Medinait betäubt.
Am Freitag kam er, deutlich lädiert, wieder in die Arbeit, weil er sich eigentlich schon wieder zu fit fühlte für “einfach daheim rumliegen”.
Am Samstag ging es ihm aber immer noch nicht wirklich gut. Da dachte er sich, dass so ein Eukalyptus-Menthol-Erkältungsbad doch eine feine Sache wäre. Also hat er die Badewanne gut gefüllt und sich in der warmen Brühe geaalt.
Nach einer Weile wurde das Wasser etwas kühler. Also hat er mit dem einen Fuß den Wannenüberlauf zugehalten und mit dem anderen noch etwas heißes Wasser eingelassen. Wunderbar!
Nach dem Bad hat er den Stöpsel gezogen und sich dick in einen Jogginganzug eingemummelt aufs Sofa gefläzt.

Jedoch just in dem Moment, als er sich richtig vollständig wohl fühlte, kam sein Sohnemann aus seiner im Erdgeschoss liegenden Wohnung die Treppe hoch und hat zu ihm gesagt: „Vadder, geh mal mit, des is komisch!“
Denn der Junior wollte eigentlich aufs Klo gehen, aber dort roch es sehr seltsam — nämlich nach Eukalyptus-Menthol.
Als die beiden unten ankamen, war der Gang schon teilweise überflutet, auch in die Waschküche im Keller tropfte es — und alles duftete nach Eukalyptus-Menthol…
Karl begann zu überlegen: Der Ablauf der Badewanne geht in das Abwasser-Hauptrohr. Genau wie der der Toilette im Erdgeschoss. Wenn man also die Badewanne im Obergeschoss ablässt und das kommt im Erdgeschoss im Klo wieder raus — dann muss es sich in der Hauptleitung zwischen dem Haus und dem Kanal stauen! Ach du sch….!

Nun gab es zwischen dem Haus und dem Kanal früher mal eine Hauskläranlage. Diese wurde wohl ziemlich zeitnah an ihre Errichtung stillgelegt und mit einem durchgängigen Rohr versehen. Die Schachtdeckel wurden per Glattstrich unsichtbar gemacht und das Ganze geriet in Vergessenheit, bis der Zahn der Zeit lange genug am Glattstrich genagt hatte. Nun waren die Deckel zumindest wieder als solche zu erahnen. Karl öffnete also einen Deckel und erwartete eigentlich, eine leere Klärkammer zu sehen. Dass ich das auf diese Art schreibe, ist schon ein recht deutlicher Wink mit dem Zaunpfahl, dass dem durchaus nicht so war, denn die Grube war randvoll. Zwar nicht mit außerordentlich hohem Feststoffanteil, aber trotzdem. Was er außerdem sah, war, dass das eigentlich hindurch gehende Rohr nicht dicht war, da dort weißliche Fetzen herausragten. Also wurde das Rohr kurzerhand entfernt, was den zunächst noch recht unauffälligen Geruch deutlich erstarken ließ. Per Schlauch und Spirale kämpften die wackeren Recken über Stunden mit der Rohrleitung, teils mit durchaus ansehnlichem Auskommen. Aber ganz frei wurde das Rohr einfach nicht, sodass zum Schluss doch noch der Kanalspezialist anrücken musste und innerhalb von einer halben Stunde mal kräftig durchpustete.

Was blieb also dem Karl von dem Erkältungs-Entspannungsbad?
So einige unangenehm verschmutzte Klamotten, eine nicht unerhebliche Rechnung vom Wochenendnotdienst und die Erkenntnis, dass man eine freie Abwasserleitung erst dann zu schätzen weiß, wenn sie keine mehr ist.

P.S.: Eigentlich verbreite ich solche Geschichten nicht. Die hier ist aber so gut, dass ich sie einfach bloggen musste.
P.P.S.: Selbstverständlich wurde der Name des Hauptdarstellers verändert.